Fehlerkultur: Chancen sehen statt Schuldige suchen

Veröffentlicht 30.10.2016 | Update 29.07.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Wo Menschen sind, passieren Fehler. Jeder weiß das, genauso wie jeder weiß, dass man aus Fehlern eigentlich lernen soll. Trotzdem scheuen wir uns, unsere Fehler einzugestehen und es fällt uns oft schwer, auf Missgeschicke anderer angemessen zu reagieren. Immerhin lässt sich kaum leugnen, dass der Umgang mit Fehlern in einer leistungsorientierten Gesellschaft nicht eben einfach ist. Gerade Fehler im Job sind ein recht heikles Thema. Schwingt doch immer ein Hauch von Scheitern mit und wer wird schon gern auf diese Art bloß gestellt? Dabei können Unternehmen und ihre Mitarbeiter von einer positiven Fehlerkultur durchaus profitieren.

Inhalt
Fehlerkultur Definition
Warum ist die Fehlerkultur wichtig?
Angstfreie Fehlerkultur
Umgang mit Fehlern

Fehlerkultur

Definition: Was versteht man unter Fehlerkultur?

Fehler sind so alt wie die Menschheit selbst und beschäftigen diese schon immer. Der Begriff Fehlerkultur als solcher ist aber eine moderne Wortschöpfung. Er entstand etwa Mitte des vergangenen Jahrhunderts und wurzelt in der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung. Eine Fehlerkultur beschreibt, wie Gesellschaften, Gemeinschaften und Organisationen aller Art – also auch Unternehmen – mit Fehlern, Fehlerfolgen und Fehlerrisiken umgehen. Dieser Umgang kann sich je nach Umfeld erheblich unterscheiden.

So haben Unternehmen in der Vergangenheit überwiegend auf Fehlervermeidung gesetzt, weil Fehler Arbeitsabläufe stören und im schlimmsten Fall großen Schaden verursachen können. Wenn doch ein Fehler passierte, suchte man den Verantwortlichen und zog ihn zur Rechenschaft. Eine solche Fehlerkultur fördert aber eher die Furcht vor Fehlern und erst recht davor, sie zuzugeben. Tadel oder Strafen sind selten ein guter Lehrmeister, anderenfalls gäbe es zum Beispiel keine Falschparker, oder?

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Warum ist die richtige Fehlerkultur wichtig?

Sicherlich: Fehler sind ärgerlich oder sogar gefährlich. Doch trotz aller Sorgfalt unterlaufen sie uns allen und ohne sie kämen wir irgendwann nicht weiter. Wohl so ziemlich jede menschliche Erfindung beruht auf Versuch und Irrtum. Ein Scheitern bietet nämlich auch Chancen, weil es uns auf neue Wege führen kann. Die Art und Weise, wie der Umgang damit aussieht – also welcher Art die vorhandene Fehlerkultur ist – bestimmt, ob Fehler zur Bremse oder zum Fortschrittsmotor werden.

Tadelt oder bestraft ein Unternehmen seine Mitarbeiter für etwas, das sie falsch gemacht haben, kann zweierlei passieren: Aus Angst vor weiteren Fehlern und ihren Konsequenzen wird versucht, diese krampfhaft zu vermeiden. Meistens hat das jedoch genau den gegenteiligen Effekt und man macht erst recht welche. Alternativ werden Mitarbeiter übervorsichtig, ziehen sich innerlich zurück und denken gar nicht mehr daran, eigene Ideen einzubringen oder zu sagen, wenn ihnen etwas auffällt. Strikte Fehlervermeidungsstrategien in Bezug auf menschliches Verhalten führen langfristig zu einer Erhöhung der Fehlerquote und zum Verlust von Innovationskraft.

Dass Fehler im Job einen jedoch auch weiterbringen können, ist eine Erkenntnis, die sich mehr und mehr durchsetzt. Nur wer Fehler macht, kann schließlich daraus lernen. Bei agilen Arbeitsmethoden zum Beispiel sind Fehlgriffe und Irrtümer sogar erwünscht, weil sie Schwachstellen im System offenlegen, auf die schnell reagiert werden kann. Eine offene, positive Fehlerkultur fördert nicht nur Flexibilität. Sie ist zugleich eine der Grundlagen für konstruktives Feedback, ein angstfreies Arbeitsumfeld und für zufriedene Mitarbeiter. Viele Unternehmen sehen diese Wettbewerbsvorteile und wagen die Abkehr vom Perfektionismus.

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Für eine offene Fehlerkultur – ohne Angst

Buchcover Fehler erlaubt Fehlerkultur

Eine optimale Fehlerkultur zu etablieren, setzt voraus, dass vor allem Führung und Management lernen, mit Fehlern der Mitarbeiter richtig umzugehen. An erster Stelle steht dabei die Ursachenanalyse. So sehen es auch die Autorinnen Gabriele Cerwinka und Gabriele Schranz, die bereits 2014 den Ratgeber »Fehler erlaubt: Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen« herausgebracht haben.*

Mit eine der Kernaussagen des Buchs: Das Management soll Mitarbeitern die Angst vor Fehlern nehmen, nur dann gelingt ein Umdenken im Unternehmen. Im Umkehrschluss heißt das nichts anderes, als dass sowohl Unternehmensführung als auch Management mit gutem Beispiel voran gehen müssen. Denn solange etwa die Fehler des Vorgesetzten ein Tabuthema sind, kann es keine positive Fehlerkultur geben.

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Wie soll man mit Fehlern umgehen?

Perfekte Produkte sind toll und erstrebenswert – perfekte Menschen gibt es nicht. Wer richtig mit Fehlern umgehen will, muss akzeptieren, dass sie selbst im Arbeitsleben dazugehören. Wohlgemerkt sind hier keine Pannen gemeint, die auf böser Absicht oder grober Fahrlässigkeit beruhen.
Die allermeisten Missgeschicke resultieren ohnehin aus ganz anderen Gründen. Zeitmangel, Überforderung, unklare Arbeitsanweisungen oder falsche Kommunikation zum Beispiel. Es ist weder angemessen noch zielführend, die Schuld dafür in der Person des betroffenen Mitarbeiters zu suchen.

Der Weg zu einer optimalen, positiven Fehlerkultur im Unternehmen benötigt seine Zeit. Genauso müssen Mitarbeiter und Management den richtigen Umgang mit Fehlern vielleicht erst lernen und verinnerlichen. Ein paar wichtige Punkte gehören dabei dazu:

» Ursachenanalyse

Statt den Schuldigen zu suchen, sollte man zuerst die
Frage stellen: »Warum ist der Fehler passiert?«. Wer
Fehlerursachen kennt und analysiert, weiß wo und wie gegengesteuert werden muss.

» Angemessene Reaktion

Der konkrete Umgang sollte sich nach der Art des Fehlers richten. Bei Routinefehlern müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden. Denkfehler könnten neue Lösungsansätze bieten.

» Sachliches Feedback

Scheitern im Job sollte nicht als persönliches Versagen gewertet, sondern auf der Sachebene diskutiert werden.
Es sollte ein offenes und kostruktives Feedback ohne Schuldzuweisungen geben.

» Vertrauen

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser. Wer seine Mitarbeiter »helikoptert«, erzeugt nur Druck. Wer hingegen Eigenverantwortung fördert, erreicht mehr Achtsamkeit und Offenheit.

Fazit

Um eine positive und konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren, ist Kommunikation ein wichtiger Faktor. Nicht das Scheitern sollte im Mittelpunkt stehen, vielmehr geht es darum, gemeinsam passende Lösungen zu entwickeln. Ein offener, angstfreier Umgang mit Fehlern muss fester Bestandteil der gesamten Feedbackkultur und Unternehmensphilosophie werden. Dann können Fehler vom ärgerlichen Bremsklotz zum Chancengeber werden.

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Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Mitarbeiter“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.


*Gabriele Cerwinka & Gabriele Schranz | Fehler erlaubt: Aus Fehlern lernen, statt Schuldige zu suchen | Linde Verlag 2014 | ISBN 978-3-7093-0515-7

Beitragsbild: Adobe Stock | Kiattisak // Buchcover: Linde Verlag

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