Zeugnispflicht: Wie sinnvoll sind Arbeitszeugnisse?

Wenn Arbeitnehmer ihre Zeugnisse zum Teil selbst schreiben, der Arbeitgeber hilflos bei Google nach passenden Formulierungen fahndet und Standardfloskeln den Inhalt bestimmen: Wie sinnvoll ist die Zeugnispflicht dann eigentlich noch? Die Praxis des Arbeits- oder auch Dienstzeugnisses hat eine lange Tradition. Bereits in der frühen Neuzeit wurde das Dokument im Handwerk und im Gesindewesen ausgestellt.

zeugnispflicht

Sogenannte Atteste für ordnungsgemäßes Ausscheiden wurden im Jahr 1530 eingeführt. So durfte kein Dienstherr einen Knecht einstellen, der kein Zeugnis vorweisen konnte, das bestätigt, dass dieser auf ehrliche Weise seinen letzten Dienstherren verlassen hatte. Im neunzehnten Jahrhundert ging es vor allem um die Tugenden wie Fleiß, Treue, Gehorsam, sittliches Betragen und Ehrlichkeit.

Zeugnis muss „wohlwollend“ sein

Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 wurde der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis gesetzlich geregelt und jeder Arbeitnehmer konnte ein Zeugnis verlangen, in dem Führung und Leistung beurteilt wurden. Heute gibt es die Vorgabe, dass ein Arbeitszeugnis der Wahrheit entsprechen und wohlwollend formuliert sein muss.

Genau das sei für viele Unternehmen problematisch, die infolgedessen juristische Auseinandersetzungen fürchten. So eine Studie der Jenaer Ernst-Abbe-Hochschule, die von Steffi Grau und Klaus Watzka durchgeführt wurde. Ihr drastisches Urteil: Arbeitszeugnisse gehören abgeschafft, da sie „zu einem relativ sinnfreien Ritual mutiert“ seien, berichtet die FAZ.

Zeugnispflicht: Viel Aufwand – Wenig Nutzen

Der erhebliche Aufwand an Zeit stehe in keinem Verhältnis zu dem Nutzen in der Personalauswahl. Das Problem sei vor allem, dass den Verfassern der Zeugnisse die entsprechende Expertise fehle. Zudem seien die meisten Zeugnisse wenig individuell, da viele Verfasser auf Textbausteine aus dem Netz oder PC-gestützte Zeugnisgeneratoren zurückgreifen würden. Hinzu komme nach Auffassung der Autoren, dass viele Arbeitnehmer die Formulierungen nicht wirklich verstehen könnten.

„Es existiert eher babylonische Sprachverwirrung als eine einheitliche, eindeutige Zeugnissprache, diese gehört ins Reich der gut gepflegten Mythen und Legenden“, so die Wissenschaftler und plädieren für eine radikale Lösung: Die Abschaffung der Zeugnispflicht. Dies könne allerdings nur funktionieren, wenn gleichzeitig sichergestellt werde, dass der ausscheidende Arbeitnehmer eine alternative Bestätigung über Tätigkeiten und Funktionen erhält.

04.04.2016

Bild: Sh4rp_i | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt

Zurück