Fachkräftemangel im Vertrieb – Ursachen und Abhilfe

Veröffentlicht: 04.04.2023 | Lesedauer: 10 Minuten

Derzeit sind die Medien voll davon und man kommt um die Diskussionen nicht herum: Dem deutschen Arbeitsmarkt gehen die Arbeitskräfte aus. Besonders dramatisch gestaltet sich die Situation bei den Fachkräften. Während vor einigen Jahren noch heiß darüber diskutiert wurde, ob es nun wirklich einen Fachkräftemangel in Deutschland gibt, ist mittlerweile kaum zu leugnen, dass Unternehmen allerorten ernebliche Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben. Man nehme beispielsweise die Branchen-Klassiker wie das Gesundheitswesen, die Gastronomie, das Handwerk oder MINT-Berufe – überall fehlt Personal. Nur von einem Bereich hört man relativ wenig: dem Vertrieb. Vertriebsmitarbeiter geraten bei diesem Thema so gut wie nie ins Rampenlicht. Trotzdem stehen Vertriebsorganisationen vor massiven Problemen, passende Fachkräfte zu finden. Warum ist das so und wie kann der Vertrieb gegensteuern?

Inhalt
Fachkräftemangel Definition & Ursachen
Situation im Vertrieb
Warum herrscht Fachkräftemangel im Vertrieb?
Was können Unternehmen tun?
Fazit

Fachkräftemangel im Vertrieb

Was versteht man unter Fachkräftemangel und welche Ursachen hat er?

Als Fachkräfte werden in Deutschland Arbeitnehmer bezeichnet, die eine bestimmte Qualifikation (z.B. abgeschlossene duale Berufsausbildung, Fachhochschul- oder Universitätsabschluss) vorzuweisen haben. Gibt es am Arbeitsmarkt mehr offene Stellen, für die spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, als aktiv Arbeitsuchende mit den entsprechenden Qualifikationen, ist die Rede von Fachkräftemangel. Die Hauptursache wird im demografischen Wandel gesehen. In Deutschland erreichen die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten »Baby-Boomer« jetzt nach und nach das Renteneintrittsalter und verabschieden sich aus dem Ewerbsleben. Demgegenüber sind aus den nachfolgenden Generationen sprichwörtlich nicht genug Arbeitskräfte »nachgewachsen«, um die am Arbeitsmarkt entstehenden Lücken zu füllen.

Weder Zuzug aus dem Ausland noch Automatisierung und Digitalisierung menschlicher Arbeit können dieses Problem nach derzeitigem Stand lösen. Obwohl Migration mehr Menschen ins Land bringt, stellen diese aber nicht zwingend die gesuchten Fachkräfte. Entweder, weil sie gewünschte Ausbildungen nicht mitbringen oder aber vorhandene Abschlüsse hierzulande nicht anerkannt werden. Zwar haben Automatisierung und Digitalisierung dafür gesorgt, dass bestimmte Arbeiten ohne Menschen auskommen. Auf der anderen Seite sind jedoch zahlreiche neue Tätigkeitsfelder mit neuen Anforderungen entstanden, für die viele Arbeitnehmer bisher keine ausreichende Qualifikation besitzen.

Hinzu kommt, dass viele vom Fachkräftemangel besonders betroffene Berufe trotz anspruchsvoller, schwerer Arbeit immer noch schlecht bezahlt werden und damit wenig attraktiv sind. Ähnliches gilt für strukturschwache Regionen, denn mangelnde Einkaufsmöglichkeiten, fehlende Kulturangebote oder eine unzureichende Verkehrsanbindung locken keine Fachkräfte an. Zusätzlich sorgt die in Deutschland relativ niedrige Frauenerwerbsquote für Lücken auf dem Arbeitsmarkt und die Zahl junger Menschen ohne Schulabschluss oder Ausbildung und damit ohne ausreichende Qualifizierung steigt seit Jahren. Für den Fachkräftemangel gibt es viele Ursachen und manche davon sind hausgemacht. Nicht nur die Politik, auch die Wirtschaft ist gefordert, neue Rahmenbedingungen zu schaffen, um den sich anbahnenden Problemen wirksam entgegen zu treten.

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Wie ist die Situation im Hinblick auf Fachkräfte im Vertrieb?

Immer dort, wo es um Systemrelevanz geht, sticht der Fachkräftemangel besonders prägnant hervor. Jobs im Vertrieb erscheinen da auf den ersten Blick eher weniger wichtig für die Gesellschaft. Doch wie gelangt die neueste Medizintechnik in die Krankenhäuser, woher kommen die Solarpaneele für’s Hausdach oder die Buchhaltungssoftware in die Agentur? Dafür ist der Vertrieb als Bindeglied zwischen Kunden und Anbietern verantwortlich. Weil er durch seine Arbeit für die Umsätze sorgt, hält er ganz maßgeblich die Wirtschaft am Laufen und ist somit durchaus gesamtgesellschaftlich relevant.

Um in Zukunft weiter bestehen und wachsen zu können, sind Unternehmen auf qualifizierte Vertriebsmitarbeiter angewiesen. Aber die kann man am Arbeitsmarkt eben nicht so einfach beschaffen. Selbst wenn es keine großen Schlagzeilen macht: Vertriebler gehören schon seit Jahren mit zu den am meisten gesuchten Berufsgruppen in Deutschland. In den Jahren 2021 und 2022 richteten sich mehr als 10 Prozent aller insgesamt ausgeschriebenen Stellenangebote an Mitarbeiter im Vertrieb oder Verkauf. Das ist keine geringe Zahl, wenn man bedenkt, wie viele unterschiedliche Berufe und Berufsfelder es gibt.

Grafik Anteil der ausgeschriebenen Stellenangebote im Vetrieb/Verkauf am Gesamtstellenmarkt in Deutschland je Quartal 2021-2022

Grafik: © salesjob Stellenmarkt GmbH

Weshalb die Vertriebssparte in der Gesamtbetrachtung selten eine Rolle spielt, liegt unter anderem daran, dass sich Stellenmarktauswertungen hauptsächlich mit den Branchen bzw. Wirtschaftszweigen beschäftigen, welche Personalbedarf haben. Vertriebler sind aber branchenübergreifend unterwegs. Sie arbeiten bei Banken und Versicherungen, in der Industrie, im Handel, im Gesundheits- und Bildungswesen – eben überall dort, wo Produkte und Dienstleistungen an die Kunden gebracht werden sollen.

Stellenbesetzungsdauer

Fakt ist: Gut geschulte Vertriebsmitarbeiter sind gefragte Spitzenkräfte, die sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur schwierig finden lassen. Dies erfahren wir von salesjob als auf den Vertrieb spezialisierte Jobbörse täglich auf’s Neue von unseren Kunden, wenn sie sich an uns wenden. Es dauert in der Regel mehr als drei Monate, bis offene Stellen besetzt werden können – wenn überhaupt.
Die durchschnittliche Stellenbesetzungsdauer – ein weiteres Indiz für einen Mangel an Fachkräften – steigt landesweit in allen Bereichen seit Jahren an. Während sie 2010 insgesamt gesehen bei gut 70 Tagen lag, waren es 2021 ca. 87 Tage.* Speziell für den Vertriebsbereich existieren derzeit keine validen Zahlen, die Lage düfte aber der auf dem gesamten deutschen Arbeitsmarkt entsprechen.

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Welche Gründe gibt es für den Fachkräftemangel im Vertrieb?

Warum ist es so schwierig, Stellen im Vertrieb zu besetzen? Dafür sind mehrere Dinge ursächlich. Allen voran steht die Tatsache, dass Arbeiten im Vertrieb aus Sicht der Allgemeinheit nicht unbedingt einen guten Ruf hat. Wer will schon mit dem berühmt-berüchtigten und viel zitierten »klinkenputzenden Staubsaugervertreter« in Verbindung gebracht werden? Ein Job im Vertrieb kommt deshalb für viele von vornherein gar nicht erst in Frage. Außerdem gilt der Vertrieb als extrem umsatz- und leistungsorientiert, was zugleich viel Druck bedeutet, mit dem nur die wenigsten auf Dauer gut umgehen können.

Schaut man sich die Stellenanzeigen für Vertriebsmitarbeiter einmal genauer an, ist in den allermeisten Fällen Berufserfahrung ein »Must-have«. Einerseits nachvollziehbar, andererseits ein Problem. Denn woher soll etwa ein Berufsanfänger oder ein Quereinsteiger die Vertriebserfahrung nehmen? Vertrieb kann man nicht direkt lernen oder studieren, sondern kommt meist ohnehin über berufliche Umwege zu einer Vertriebsposition. Das ändert sich zwar mittlerweile, zum Beispiel durch duale Studiengänge mit Schwerpunkt Vertrieb, ist jedoch keinesfalls die Regel.

Ganz nebenbei müssen Vertriebsmitarbeiter einen bunten Strauß an Kompetenzen in sich vereinen. Manches davon lässt sich trainieren, anderes wiederum hängt an der eigenen Persönlichkeit. Sehr introvertiert veranlagte Menschen sind im Vertrieb nicht unbedingt gut aufgehoben, jedenfalls nicht an der »Kundenfront«. Vertriebler brauchen Empathie, um sich in ihre Kunden hineinzuversetzen und – besonders bei der Akquise und im Kundenservice – Resilienz (aka das »dicke Fell«), weil sie oft mit Ablehnung und Unzufriedenheit konfrontiert sind. Darüber hinaus sollten sie spezielles Fachwissen besitzen. Denn wer keine Ahnung von Medizintechnik hat, kann Kunden ein medizintechnisches Produkt nicht nahebringen. Und sie müssen die Balance zwischen Kunden- und Unternehmensinteressen hinbekommen. Eine Mischung, die man kaum an jeder Ecke findet.

Probleme bei der Stellenbesetzung

Das spiegelt sich bei den Herausforderungen im Recruiting von Vertriebsmitarbeitern wider. Laut salesjob Jobreport 2018** beurteilten Unternehmen, die nach Fachkräften für ihren Vertrieb suchen, die Kandidatengewinnung bereits vor Jahren insgesamt als schwierig. Demnach bekommen rund 55 Prozent der Unternehmen nicht genug Bewerbungen, auf etwa jedes siebte Stellenangebot geht erst gar keine Bewerbung ein. Weitere Probleme liegen für 64 Prozent der Arbeitgeber darin, dass Bewerber fachlich nicht ins Profil passen, nicht genug relevante Berufserfahrung haben (43 Prozent ) oder auch wichtige Soft Skills, wie Kontaktfreude, Belastbarkeit und Eigeninitiative, vermissen lassen (35 Prozent). Dazu kommen aus Arbeitgebersicht teilweise überzogene Gehaltsvorstellungen sowie ein starker Wettbewerb um die Kandidaten.

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Was können Unternehmen zur Fachkräftesicherung im Vertrieb tun?

Das Fehlen von Fachkräften im Vertrieb ist nicht nur in finanzieller Hinsicht ein Risiko für Unternehmen. Je länger offene Stellen nicht besetzt werden können, desto mehr steigt die Belastung der übrigen Vertriebsmitarbeiter. Auf lange Sicht entstehen so Überforderung und Frust – eine gefährliche Mischung, die dann oft in mangelndem Engagement oder gar einem Jobwechsel mündet. Wie aber kann es im Vertrieb gelingen, geeignete Fachkräfte zu rekrutieren?

Erwartungshaltung

An erster Stelle steht dabei eine Überprüfung der eigenen Erwartungshaltung. Die »eierlegende Wollmilchsau« in Form des perfekten Vertrieblers gibt es nicht. Unternehmen neigen immer noch dazu, eine 100-prozentige Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil zu erwarten bzw. vorauszusetzen. Sie suchen dann Monate lang, in denen die Position vakant bleibt. Stattdessen sollten sie zum Beispiel motivierten jungen Talenten oder Quereinsteigern eine Chance geben – sofern diese grundsätzlich zum Unternehmen und zum Team passen. Selbstverständlich geht es nicht darum, bei Bewerbern auf wichtige Schlüsselkompetenzen zu verzichten. Aber so einige Defizite lassen sich durch Schulungen, Weiterbildungen und ein Training-on-the-Job kompensieren.

Sozialstruktur

Die Sozialstruktur im Vertrieb spricht Bände: Vorsichtig ausgedrückt ist der durchschnittliche Vertriebler männlich und mittelalt. Mit einem Anteil von noch nicht einmal 30 Prozent sind Vertrieblerinnen in der Minderheit. Damit liegt die Frauenerwerbsquote im Vertrieb deutlich unter dem deutschen Mittelwert (laut Statistischem Bundesamt 46.8 Prozent im Jahr 2021). Auch die junge Generation unter 25 Jahren ist unterrepräsentiert. Unternehmen entgeht ein großes Potenzial an Fachkräften, wenn sie ihre Recruiting-Bemühungen weiterhin am »Durchschnitts-Vertriebler« ausrichten, also Rahmenbedingungen und Anforderungen nur auf eine sehr homogene Zielgruppe zuschneiden.

Mit Ausbildung gegen den Fachkräftemangel

Der Bereich Ausbildung wurde im Vertrieb viel zu lange vernachlässigt. Sofern aber fehlendes Fachwissen der Bewerber als eine der größten Herausforderungen bei der Gewinnung von Vertriebspersonal gesehen wird, kann es darauf eigentlich nur eine Antwort geben: Man muss die Fachkräfte selbst ausbilden. Ein gutes Ausbildungsmarketing sollte darum fester Bestandteil bei der Personalplanung sein. Denn die Aussage, dass man Vertrieb per se nicht lernen kann, stimmt nämlich nicht so ganz. Es gibt eine ganze Reihe von Berufen, die perfekt zum Vertrieb passen. Unternehmen können durchaus solche Ausbildungsplätze schaffen und ihren Vertrieb mit in die Ausbildung einbinden. Dadurch bekommen sie die Möglichkeit, junge Nachwuchstalente aus den eigenen Reihen aufzubieten. Darüber hinaus lässt sich etwa mit speziellen Traineeprogrammen der Weg in den Vertrieb für Hochschulabsolventen ebnen.

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Fazit

Alles in allem muss der Vertrieb aber wohl generell attraktiver werden, um breitere Bewerberkreise anzusprechen. Leider tauchen immer wieder ein paar schwarze Schafe auf, die das Gesamtimage des Vertriebs ins Negative zerren. Dagegen kann man nicht viel unternehmen, außer sich als Unternehmen von solchen Machenschaften zu distanzieren und aufzuzeigen, was das Arbeiten in einer seriösen Vertriebsorganisation bedeutet. Mit anderen Worten: Es heißt Imagepflege zu betreiben, damit der Vertrieb in den kommenden Jahren gut aufgestellt bleibt und dem Fachkräftemangel begegnen kann. Bieten Sie interessierten Menschen Einblicke in die Arbeit Ihres Vertriebs, zum Beispiel mit einem Unternehmensvideo und lassen Sie Ihre Vertriebler zu Wort zu kommen. Präsentieren sie sich als attraktiver Arbeitgeber mit guten Arbeitsbedingungen, seien Sie offen für Bewerber, die auf den ersten Blick kein perfektes Match sind und vor allem investieren Sie in Ihre Nachwuchskräfte und das Upskilling Ihrer Mitarbeiter.

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*Quelle: IAB Stellenmarkterhebung 2022

**Bei Interesse können Sie den salesjob Jobreport 2018 per E-mail kostenfrei anfordern. Kontaktierien Sie uns gern unter: info@salesjob.de

Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Mitarbeiter“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

Beitragsbild: Adobe Stock | stokkete

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