Überstundenvergütung – Wann muss gezahlt werden?

Veröffentlicht: 24.10.2016 | Update: 30.09.2022 | Lesedauer: 5 Minuten

Mal wieder bis in die Puppen im Büro gewesen oder als Außendienstler ewig im Stau gestanden? Für viele Menschen sind Überstunden und Mehrarbeit an der Tagesordnung. Ebenso regelmäßig entbrennen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wegen der zusätzlichen Arbeitszeit und der Vergütung dafür. Aber muss ich überhaupt länger arbeiten? Und habe ich dann wirklich einen Rechtsanspruch auf eine Überstundenvergütung? Muss ich die Stunden abbummeln? Oder gehe ich vielleicht sogar leer aus?

Inhalt
Überstunden oder Mehrarbeit?
Sind Überstunden Pflicht?
Müssen Überstunden bezahlt werden?
Geld oder Freizeitausgleich?
Geltendmachung von Überstundenvergütung

Überstundenvergütung

Überstunden oder Mehrarbeit?

Mal heißt es Überstunden, mal ist die Rede von Mehrarbeit. Gibt es da einen Unterschied? Schließlich passiert in beiden Fällen dasselbe: Es wird länger gearbeitet. Gleichwohl differenziert das Arbeitsrecht hier feinsinnig zwischen gesetzlicher und vertraglich vereinbarter Arbeitszeit.

Wenn Arbeitnehmer mehr Stunden arbeiten, als ihr Arbeitsvertrag vorsieht, handelt es sich um Überstunden. Daneben bestimmt das Arbeitszeitgesetz zulässige Höchstarbeitszeiten – in der Regel 8 Stunden pro Tag (entspricht bei 5 regulären Arbeitstagen einer 40 Stunden Woche), in Ausnahmefällen 10 Stunden täglich. Werden diese Zeiten überschritten, ist es Mehrarbeit.

Für Arbeitnehmer mag dieser Unterschied nur bedingt von Bedeutung sein. Entscheidend ist vielmehr, dass man mal wieder viel länger auf der Arbeit war als geplant (und geschuldet) und sich nun fragt, ob man auch eine Überstundenvergütung bekommt.

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Muss ich Überstunden leisten?

Das Thema Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit ist – genau wie die Anzahl der in Deutschland geleisteten Überstunden – umfangreich. So haben deutsche Arbeitnehmer im Jahr 2021 rund 1.7 Milliarden Stunden mehr gearbeitet. Das macht durchschnittlich 22 Stunden extra Arbeitszeit pro Kopf. Eine Überstundenvergütung gab es jedoch für die Arbeitnehmer nicht in jedem Fall. Denn 52 Prozent der Überstunden blieben unbezahlt.*

Doch zunächst steht die Frage im Raum, ob es eigentlich Pflicht ist, Überstunden zu leisten. Eine solche Verpflichtung kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. Umgekehrt bedeutet das, wenn weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag Mehrarbeit vorgesehen ist und auch keine sonstige Vereinbarung existiert, muss man keine Überstunden leisten. Selbst, wenn es in der Firma »so üblich« ist, es mit der Arbeitszeit nicht so genau zu nehmen.

Möchte der Arbeitgeber, dass man trotzdem mal länger macht – zum Beispiel, weil sich zuviel Arbeit angehäuft hat oder Kollegen krank sind – darf er das nicht einfach anordnen. Zwar billigt das Arbeitsrecht dem Arbeitgeber eine Weisungsbefugnis zu, diese erstreckt sich jedoch nicht auf einseitige Änderungen beim Arbeitsvertrag.
Sind also Überstunden nötig und es gibt keine vertragliche Regelung dazu, braucht der Arbeitgeber das (auch stillschweigende) Einverständnis des Arbeitnehmers. Einzige Ausnahme: Notfälle. Mit Notfällen sind aber existenzbedrohende Ereignisse – wie ein Brand oder eine Naturkatastrophe – gemeint und keine Auftragsspitzen oder ähnliches.

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Habe ich Anspruch auf Überstundenvergütung?

Arbeit gegen Geld – das ist der Kernpunkt eines Arbeitsverhältnisses. Demzufolge müsste im Falle des Überschreitens der Arbeitszeit auch stets eine entsprechende Vergütung gezahlt werden. Aber es existiert keine einheitliche Regelung, dass jede geleistete Überstunde auch zu vergüten ist. Grundsätzlich gilt hier ebenfalls, was Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung vorsehen.

In manch einem Arbeitsvertrag findet sich die Formulierung, wonach Mehrarbeit bzw. Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen. Eine solche Klausel ist in den meisten Fällen unwirksam. Die Rechtsprechung ist sich lediglich dahingehend einig, dass nur bei bestimmten Berufsgruppen und bei sehr hohem Verdienst (zum Beispiel Chefärzte, leitende Angestellte) das Gehalt die Mehrarbeit tatsächlich mit abdeckt. Ansonsten ist eine Überstundenvergütung zu zahlen, wenn nach den Umständen eine Vergütung zu erwarten ist.

Wurde dagegen nie über Überstunden gesprochen und steht dazu nichts im Arbeitsvertrag, entfällt der Anspruch auf Überstundenvergütung. Denn etwaige Mehrarbeit muss vom Arbeitgeber »angeordnet, gebilligt oder geduldet« worden sein. Die in Selbstaufopferung geleistete Mehrarbeit, von der der Arbeitgeber nichts wusste, bleibt dabei meist unbezahlt. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber an dieser Stelle gern mal wegschaut.

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Überstundenvergütung oder Freizeitausgleich?

Neben der Bezahlung von Überstunden kommt der Ausgleich in Freizeit in Frage. Ist das in Arbeits- oder Tarifvertrag so festgelegt bzw. im Betrieb so üblich, hat die Freizeit Vorrang und Überstunden müssen »abgebummelt« werden. Der Freizeitausgleich muss aber vom Arbeitnehmer beantragt und durch den Arbeitgeber gewährt werden. Eine Selbstbeurlaubung sollte man – auch bei einem Haufen angesammelter Überstunden – nicht in Erwägung ziehen.

Der Anspruch auf Freizeitausgleich tritt ferner zum gesetzlichen Urlaubsanspruch hinzu. Eine Verrechnung von Überstundenfreizeitausgleich mit Urlaubstagen durch den Arbeitgeber ist damit ebenso unzulässig wie die einseitige Anordnung der Anrechnung von Fehlzeiten auf den Urlaubsanspruch, also eine quasi rückwirkende Urlaubserteilung.

Dennoch kann der Freizeitausgleich eine Vergütung von Überstunden nicht generell ersetzen. Etwa, wenn dem Arbeitnehmer das Abfeiern der Überstunden nicht möglich ist, weil sonst zu viel Arbeit liegen bleibt oder weil zum Beispiel das Arbeitsverhältnis endet. Ebensowenig darf der Arbeitgeber den Anspruch auf Überstundenvergütung durch einseitige Freistellung von der Arbeit (»Zwangsbeurlaubung«) umgehen.

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Geltendmachung der Überstundenvergütung

Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen geht es meist um die Menge der geleisteten Überstunden. Hier lauert oft die erste Enttäuschung für Arbeitnehmer. Arbeits- oder Tarifvertrag sehen oftmals sehr kurze Ausschlussfristen für die Geltendmachung der Überstundenvergütung vor. Ferner ist auch die gesetzliche Verjährung zu berücksichtigen. Ein Arbeitnehmer, der jetzt noch seine im Jahr 2016 geleisteten Überstunden stolz mit sich rum trägt, kann hierfür kaum mehr erwarten, als einen warmen Händedruck.

Überstunden müssen nicht nur geleistet, sondern auch durch den Arbeitgeber angeordnet worden sein. Allerdings muss der Arbeitnehmer genau das umfassend beweisen. Hier wird es dann auch für einen Anwalt schwierig. Schön ist es, wenn eine schriftliche Weisung – auch per E-Mail – vorliegt, länger zu arbeiten. Fehlt eine solche Weisung, dann soll nach der Rechtsprechung ein Anspruch bestehen, wenn der Arbeitgeber die Überstundenleistung kennt und mit ihr einverstanden ist oder sie duldet. Nur, wie legt man das dar?

Ein »Arbeitstagebuch« kann für Arbeitnehmer sehr hilfreich sein, falls sich ein Trend zu Überstunden abzeichnet. Hier kommt hinein, wie viele Stunden man gearbeitet hat. Weisungen des Arbeitgebers sollten zur Gedächtnisstütze vermerkt werden, selbst wenn es sich um nur ein Flurgespräch im Sinne von: »Müller, Sie machen heute halt mal ein bisschen länger!« handelt. Dieses Tagebuch ist zwar kein Beweismittel, stellt vor Gericht aber einen substantiierten Vortrag dar.

Ausblick

Möglicherweise werden Auseineinandersetzungen in puncto Überstundenvergütung bald der Vergangenheit angehören – zumindest was die Zahl der geleisteten Stunden betrifft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nämlich gerade eine Grundsatzentscheidung (BAG Beschluss vom 13.09.2022; Az: 1 ABR 22/21) gefällt, wonach eine generelle Erfassung der Arbeitszeit für alle zur Pflicht wird. Gemãß § 16 Abs. 2 ArbZG mussten Arbeitgeber auch bisher schon Überstunden dokumentieren – nur umgesetzt wurde das nicht immer. Vielleicht verleiht die BAG Entscheidung dem Ganzen nun erheblich mehr Nachdruck.

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*Quelle: statista.com »Bezahlte und unbezahlte Überstunden der Arbeitnehmer in Deutschland bis 2021«

Redaktioneller Hinweis
Dieser Artikel bietet lediglich einen Überblick über einige grundlegende Regelungen zur Vergütung von Überstunden. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keinesfalls eine individuelle rechtliche Beratung. Im Zweifelsfall sollte immer juristischer Fachrat eingeholt werden.

Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Arbeitgeber“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

Beitragsbild: Adobe Stock | drubig-photo

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