Scheinselbstständigkeit: So schützen Sie sich richtig

Für viele Selbstständige ist sie so etwas wie ein Schreckgespenst: die Scheinselbstständigkeit. Denn es gelten strenge Maßstäbe für die Anerkennung einer selbstständigen Tätigkeit. Davon sind Freiberufler und Gewerbetreibende gleichermaßen betroffen. Beide Berufsgruppen müssen dem Finanzamt, den Sozialkassen und der Rentenversicherung gegenüber glaubhaft belegen, dass sie nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Arbeitsverhältnis stehen. Nur dann genießen sie Vorzüge von Selbstständigen.

Scheinselbstständigkeit

Von Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer weitgehend einem abhängigen Arbeitsverhältnis ähnelt. Im Vertrieb sind es vor allem die freien Handelsvertreter, auf die das schnell zutreffen kann. Aber auch alle anderen, die sich einer selbstständigen Ausübung ihres Geschäfts verschrieben haben, sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Abgrenzung ist oft schwierig

Laut § 84 HGB ist jemand dann freier Handelsvertreter, wenn er seine Tätigkeit selbst gestalten kann. Zudem muss er auch über seine Arbeitszeit frei verfügen können. Diese beiden Kriterien gelten grundsätzlich als Maßstab einer selbstständigen Berufsausübung. Wenn sie nicht vorliegen, ist ein freier Mitarbeiter als abhängig Beschäftigter zu sehen. Damit werden dann die gesetzlichen Beiträge in allen Zweigen der Sozial- und Rentenversicherung fällig. Und zwar für bis zu vier Jahren rückwirkend auf den Tag, an dem das Beschäftigungsverhältnis begonnen hat.

In der täglichen Praxis kann die genaue Abgrenzung zwischen einer selbstständigen und einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung schwierig sein. Es kommt dann darauf an, wie sich die Arbeit gestaltet. Ist der Auftragnehmer frei darin, wann und wie er arbeitet? Oder bestimmt der Auftraggeber Arbeitszeit und -ort und stellt die Arbeitsmittel?

So sieht die DRV die Scheinselbstständigkeit

Die Deutsche Rentenversicherung hat ihre Prüfkriterien zur Scheinselbstständigkeit vor einigen Jahren geändert. Seitdem wurden weitaus mehr Freiberufler als abhängig Beschäftige eingeordnet. Heute ist für die Beurteilung des Status jedes einzelne Auftragsverhältnis maßgeblich. Wer mehrere Aufträge parallel bearbeitet, wie es bei Freiberuflern und Gewerbetreibenden üblich ist, kann bei einem Auftraggeber in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehen, bei einem anderen hingegen trotzdem als Selbstständiger gelten.

Die Deutsche Rentenversicherung legt dabei fest, dass deutliche Unterschiede zu einem weisungsgebundenen Arbeitnehmer bestehen müssen. Jedes einzelne Detail, das sich einschränkend auf die Arbeit des Freiberuflers auswirkt, sieht sie als Indiz für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis. Etwa dann,

  • wenn der Auftraggeber über den Arbeitsort bestimmt
  • wenn er Softwaresysteme für die Arbeit zur Verfügung stellt
  • oder wenn er den Selbstständigen in die Organisation seines Unternehmens einbindet.

Ein Vertrag, in dem viele Details schriftlich festgehalten sind, spricht ebenfalls für eine Scheinselbstständigkeit.

Die Folgen einer Scheinselbstständigkeit

Sofern die Rentenversicherung eine scheinbare Selbstständigkeit feststellt, hat das deutliche Folgen für beide Seiten. Denn hat der Auftragnehmer nunmehr den Status als abhängig Beschäftigter, sind die entsprechenden Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Zwar trifft das in erster Linie den Arbeitgeber. Aber der ehemalige Freiberufler kann sich plötzlich Vergütungsrückforderungen seitens des Auftraggebers gegenüber sehen. Von den erheblichen finanziellen Auswirkungen ganz zu schweigen, drohen auch steuer- oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.

Das gilt umso mehr, wenn es sich nicht nur um einen einzelnen Mitarbeiter handelt, dessen Status von „selbstständig“ auf „abhängig“ geändert wurde. Weder Unternehmen noch Selbstständige sollten eine Auseinandersetzung mit der Rentenversicherung auf die leichte Schulter nehmen – Scheinselbstständigkeit ist kein Kavaliersdelikt.

So schützen sich Auftraggeber und Selbstständige

Daher ist es wichtig, ein Auftragsverhältnis von vornherein so zu gestalten, dass der Gedanke an eine scheinbaren Selbstständigkeit gar nicht erst aufkommt. Ein Weg dazu ist sicher, vertragliche Formulierungen nicht zu eng zu fassen. Darüber hinaus sollte klar sein, dass der Selbstständige

  • seine eigenen Arbeitsmittel, wie Computer und Software, benutzt.
  • auf eigene Initiative Abstimmung mit den Mitarbeitern des Auftraggebers trifft.
  • in Belastungszeiten auf Kapazitäten aus seinem eigenen Netzwerk zugreift.
  • seine Tätigkeit unabhängig organisiert.
  • nicht in die allgemeine Arbeitsorganisation des jeweiligen Auftraggebers eingebunden ist.
  • mehrere Aufträge für mehrere Auftraggeber zur gleichen Zeit hat.

Wer nicht in den Verdacht kommen will, scheinselbstständig zu sein, muss dies letztlich in seiner gesamten Arbeitsorganisation nachweisen. Daneben kann es sein, dass man zwar als Selbstständiger gilt, aber trotzdem Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung leisten muss. Das ist dann der Fall, wenn man regelmäßig nur für einen Auftrageber tätig ist und selbst keine Angestellten hat, die mehr als 450 € im Monat verdienen. Dessen müssen sich Vertreter und alle anderen freiberuflich und gewerblich Tätigen unbedingt bewusst sein.

Bild: Image Point Fr | shutterstock.com

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