Transaktionsanalyse im Verkaufsgespräch

 „Bitte vergiss deinen Schal nicht – Die Nächte sind noch kühl!“ Welche Assoziation haben Sie bei einem solchen Satz? Fühlen sie sich vielleicht in die Pubertät zurückversetzt und sehen Sie die Person, die Ihnen diesen gut gemeinten Rat gibt? Selbst wenn Sie diesen Satz noch nicht gehört haben, können Sie vielleicht dennoch nachvollziehen, was er auslöst, nämlich Trotz. Eine Stimme in Ihrem Kopf sagt jetzt wahrscheinlich so etwas wie: „Ich kann selbst entscheiden, wann ich einen Schal brauche!“ Sie verspüren den Impuls, trotzig zu reagieren. Aber warum, wo doch dieser Ratschlag nur lieb gemeint war und vielleicht sogar vernünftig, weil es abends wirklich noch zu kühl ist? Warum verspüren wir dennoch den Impuls, ablehnend und rebellisch zu reagieren? Ziehen wir zur Erklärung ein psychologisches Modell aus der Transaktionsanalyse heran, liegen die Gründe für dieses Verhalten auf der Hand.

Transaktionsanalyse

Dieses Modell aus der Transaktionsanalyse integriert drei Ich-Zustände, aus denen sich unsere Persönlichkeit zusammensetzt. Diese drei Teile nennt man Eltern-Ich, Kindheits-Ich und Erwachsenen-Ich. Lassen Sie mich diese drei Persönlichkeitsteile kurz erklären, dann können wir uns erarbeiten, weshalb wir in unserem Alltag von der Transaktionsanalyse profitieren können.

Transaktionsanalyse definiert Eltern-Ich, Kindheits-Ich & Erwachsenen-Ich

Als Eltern-Ich bezeichnet man den Teil der Persönlichkeit, der von außen geprägt wurde. Das heißt von Eltern, Großeltern, Geschwistern, Lehrern, Trainern und anderen Vorbildern. Man nennt es auch das programmierte Ich, weil Regeln, Moral, Wertvorstellungen und Vorurteile von außen in unsere Persönlichkeit gelangen.

Zusätzlich könnte man das Eltern-Ich in zwei weitere Bestandteile untergliedern. Während das kritische Eltern-Ich mehr oder weniger freundliche Zurechtweisungen vornimmt und darauf hinweist, im Recht zu sein, produziert das unterstützende Eltern-Ich unaufgefordert Hilfsangebote im Stile von: „Wenn Sie das so machen, geht es leichter“.

Das Kindheits-Ich ist der zweite Bereich unserer Persönlichkeit, der dem entspricht, was trotz Erziehung von unserer Kindheit übrig geblieben ist. Es besteht aus vier Elementen:

  1. Dem natürlichen Kind, das unsere echten und tiefen Gefühle widerspiegelt.
  2. Dem kreativen kleinen Professor, der neugierig und schaffensfroh ist, neue Ideen hat und alles erforschen will.
  3. Dem angepassten Kind, das sich unterwürfig verhält und sich stumm dem Willen Anderer beugt.
  4. Dem rebellischen Kind, das sich Allem und Jedem widersetzt und sofort auf die Barrikaden geht.

Das Erwachsenen-Ich ist derjenige Teil der Persönlichkeit, der sich erst im Verlauf der Pubertät entwickelt und geht mit dem Bewusstsein einher, dass wir die Verantwortung für unser Handeln selbst tragen. Es ist dafür zuständig, die Impulse aus dem Eltern- und dem Kindheits-Ich zu dämpfen und lediglich das zuzulassen, was wir auch wirklich wollen – was jedoch sicherlich nicht immer gelingt.

Wie der Ich-Zustand die Reaktion vorherbestimmt

Wie bereits erwähnt, stammt dieses Modell aus der Transaktionsanalyse. Die zentrale These: Wenn wir kommunizieren, geschieht dies stets aus einem der drei Ich-Zustände heraus und daher bestimmen wir die Reaktion der Gesprächspartner vorher. Senden wir also eine Botschaft aus dem Kindheits-Ich, wird oftmals eine Reaktion des Eltern-Ichs hervorgerufen und umgekehrt. Lediglich Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich bewirken auch eine Reaktion aus dem Erwachsenen-Ich – auf Augenhöhe. Lassen Sie uns dies an ein paar Beispielen verdeutlichen:

A: „Ich habe eine tolle Idee: Wir sollten ab sofort allen neuen Kunden einen Blumenstrauß schicken und uns für das Vertrauen bedanken!“

B: „Unsinn. Das ist viel zu teuer und außerdem bringt es nichts.“

A: „Bei dem schönen Wetter würde ich am liebsten draußen arbeiten!“

B: „Du kannst ja heute Abend auch noch auf dem Balkon sitzen, wenn du Feierabend hast.“

In beiden Beispielen können wir das Kind in der Äußerung schon beinahe vor uns sehen. Es hat eine kreative Idee oder äußert ein spontanes Gefühl. Die Antwort erfolgt nicht wirklich auf Augenhöhe. Im ersten Beispiel ist die Antwort zurechtweisend und im zweiten bietet sie ungefragt einen Lösungsvorschlag.

Das funktioniert natürlich auch andersherum, nämlich dann, wenn eine Aussage aus dem Eltern-Ich kommt. In dem Fall ist eine Antwort aus dem Kindheits-Ich zu erwarten. Allerdings kommt die Reaktion hier fast immer aus dem rebellischen Kind – zumindest in Westeuropa.

A: „Nur mit der XY-Methode werden die besten Resultate erzielt.“

B: „Das kann man so nicht sagen, denn auch mit der AB-Methode haben wir schon gute Resultate erzielt!”

A: „Wir haben ein Konzept für Sie erarbeitet, das genau Ihr Problem löst.“

B: „Wenn es so einfach wäre, wären wir schon längst selbst darauf gekommen!“

Während es in anderen Teilen der Welt durchaus vorkommen mag, dass eine Reaktion auf eine Äußerung des Eltern-Ich auch mal unterwürfig ausfällt, ist dies in Westeuropa eher nicht zu erwarten. Hier reagiert die Mehrheit der Menschen rebellisch auf jede Art von zur Schau gestellter Macht. Und genau dabei handelt es sich bei jeder Äußerung aus dem Eltern-Ich – einer Demonstration von Überlegenheit.

Das bedeutet: Wenn Sie in einer geschäftlichen Situation, gestützt durch Ihre fachliche Kompetenz etwas vorschlagen, besteht die Gefahr, dass das rebellische Kind Ihres potentiellen Kunden dies sogleich abschmettert. Im schlimmsten Fall merken Sie das nicht mal, weil der Kunde seine spontane Erwiderung höflich unterdrückt und seine Ablehnung nicht zeigt.

Wie hilft die Transaktionsanalyse auf Augenhöhe im Erwachsenen-Ich zu bleiben?

In der Theorie ist das sogar ziemlich einfach: Nämlich, indem man Aussagen auf sich bezieht und den Anderen nicht beurteilt oder indem man ehrliche und offene Fragen stellt.

Eine der beiden typischen Äußerungen bezieht sich auf den Unterschied zwischen Ich-Botschaften und Du-Botschaften. Wenn wir sinngemäß sagen: „Du bist …“, dann handelt es sich um eine überhebliche Wertung, denn man urteilt über den anderen – eine typische Aussage aus dem Eltern-Ich also. Alternativ können solche Aussagen auch ohne Wertung formuliert werden, einfach indem man den Bezug zum Anderen weglässt: „Ich sehe/denke/fühle …“

Ehrliche und offene Fragen stellen

Bei der anderen Form der Botschaft aus dem Erwachsenen-Ich handelt es sich um die bereits besprochene ehrliche und offene Frage. Ehrlich, weil wirklich eine Antwort erhofft wird, und nicht nur eine Botschaft gesendet wird. Sie erinnern sich bestimmt an das Beispiel: „Wann willst du endlich dein Zimmer aufräumen?“. Rein semantisch gesehen ist dies zwar eine Frage, im Grunde ist es aber wohl eher als Aufforderung zum Aufräumen zu sehen. Das ist nicht ehrlich. Andererseits steht jede geschlossene Frage grundsätzlich unter dem Verdacht, eine Unterstellung zu sein. Bei der Frage: „Leiden Sie auch unter Fußpilz?“ schwingt mit, der Befragte habe Fußpilz – auch wenn das vom Fragesteller in keiner Weise so gemeint war.

Gewöhnen Sie sich stattdessen an, ihre Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich zu senden, können sie die Qualität Ihrer Unterhaltungen enorm verbessern. Das ist nicht immer leicht, weil wir gerade dann, wenn wir „blöd angemacht“ werden, impulsiv reagieren wollen. Es kann jedoch gelingen, wie es beispielsweise das fliegende Personal bei Fluggesellschaften zeigt, das gelernt hat Angriffe und Beschwerden nicht persönlich zu nehmen und auf Augenhöhe zu reagieren.

Emotionsaustausch

Menschen tendieren dazu, sich mit emotionalen Unterhaltungen die Zeit zu vertreiben. Eric Berne, ein US-amerikanischer Psychologe nannte dieses Phänomen „Psycho-Spiele“. Lesen Sie dieses Beispiel einer Unterhaltung in einer kleinen Familie, bestehend aus Mutter, Vater und dem pubertierenden Sohn:

Mutter: (erwartungsfroh) Schau mal, mein Sohn: Ich habe dir ein Hemd aus der Stadt mitgebracht.

Sohn: (gelangweilt) Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich keine Hemden mag?

Vater: (bemüht) Ich wäre froh gewesen, wenn ich damals von meiner Mutter so ein schönes Hemd bekommen hätte.

Sohn: (schnippisch) Dann nimm’ du es doch!

Vater: (wütend) Solange du dein Smartphone an mein W-Lan hängst, redest du nicht so mit deinen Eltern! Ab ist Bett. Und zwar ohne Essen!

Sohn: (Treppe nach oben schlurfend) Wer solche Eltern hat, braucht keine Feinde …

Mutter: (nachdem der Sohn außer Hörweite ist) Musst du immer so mit ihm reden? Könnt ihr euch nicht einmal vernünftig miteinander unterhalten?

Vater: (verständnislos) Aber ich wollte dich doch nur unterstützen …

Mutter: (dreht sich wortlos weg und bringt dem Sohn das Essen in sein Zimmer) Du musst ihn verstehen. Wenn du seine Eltern gekannt hättest …

Warum Psycho-Spielchen im Geschäftsumfeld gefährlich sind

In diesem Dialog suchen wir das Erwachsenen-Ich vergeblich, denn hier wurden lediglich Emotionen ausgetauscht – oder sollte man besser sagen: sich gegenseitig um die Ohren gehauen? Wenn Sie darauf achten, professionell im Erwachsenen-Ich zu kommunizieren, dann müssten Sie derartige Unterhaltungen nicht erleben. Jeder der Beteiligten hätte die Unterhaltung wieder auf Augenhöhe bringen können. Bereits am Anfang hätte die Mutter sagen können: „Oh, daran erinnere ich mich nicht mehr. Wenn ich dir eine Freude machen will – was kann ich dir denn nächstes Mal aus der Stadt mitbringen?“

Vielleicht erinnern Sie sich an Unterhaltungen im geschäftlichen Umfeld, die alles andere als professionell liefen? Könnte es sein, dass diese Art von Psycho-Spiel der Grund dafür war? Dass vielleicht einer der Beteiligten eine unbedachte Äußerung machte, die der Andere als Angriff aus dem Eltern-Ich verstand und entsprechend rebellisch quittierte? Wie viele Stress-Gespräche können auf diesen simplen Sachverhalt zurückgeführt werden? Wie viele konfliktgeladene Unterhaltungen könnten produktiv geführt werden, wenn die Beteiligten dieses einfache psychologische Modell aus der Transaktionsanalyse im Alltag umsetzen könnten?

Wenn es Ihnen gelingt, Ihr Ego professionell zu falten und einzurollen oder zumindest für die Dauer des Kundengespräches nicht unkontrolliert zu reagieren, sondern aufmerksam in das Gespräch zu gehen, dann wird es wesentlich einfacher, den Kunden zu verstehen und später die passenden Angebote zu machen.

Ihr Stephan Heinrich

08.10.2014

Bild:  Gerd Altmann | pixabay .com

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