Preisangebote oder gute Gefühle?

Wenn ein Unternehmen nichts Außergewöhnliches zu bieten hat, wenn seine Produkte austauschbar sind und es am Service krankt, entscheidet immer der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. So trösten wir uns (Trostpreis!) durch Preisangebote über emotionale Mängel und Enttäuschungen hinweg. Was hingegen einzigartig ist, was uns betört und begeistert, darf ruhig was kosten. Die moderne Hirnforschung erklärt uns, warum das so ist.

Preisangebote

Viele Verkäufer sind reine Preisverkäufer, in ihren Verkaufsgesprächen dreht sich alles um den Preis. Wer allerdings immer nur über seine Preise spricht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn die Kunden nur noch nach den Preisen fragen. „Wer nichts weiß, macht es über den Billig-Preis“, sagt ein Marketingkalauer. Und es heißt auch: „Wer vom Preis lebt, stirbt mit dem Preis“.

Oft sind es die falschen Glaubenssätze, aufgrund derer wir die falschen Dinge tun. „Kunden sind Rosinenpicker, sie sind immer dort, wo es gerade die besten Konditionen gibt“, höre ich zum Beispiel die Banker sagen. Wer so was glaubt, der wird versuchen, alles über Preisangebote zu steuern. Und dann bekommt er am Ende genau die Kunden, vor denen er sich am meisten fürchtet: die Rosinenpicker.

Preisangebote führen in einen Teufelskreis

Nicht jeder Kunde will billig kaufen! Der Billig-Preis spielt oft eine viel geringere Rolle, als uns Medien und Verkäufer glauben machen. »Billig-Billig« ist mit einem Verrohen der Sitten, mit einem Verfall von Dienstleistungsqualität (Service ist teuer!) und mit Vertrauensschwund (Hätte ich das nicht irgendwo, nächste Woche noch billiger bekommen können?) verbunden. Preisdumping ist nicht selten sogar lebensbedrohlich: für den Verbraucher – und für das Unternehmen.

In vielen Branchen ist der Preis ja der Ertragstreiber Nummer eins. Die meisten Firmen beherrschen allerdings weder Kosten noch Preise, sondern werden von den Preisen beherrscht, die der Markt oder die Konkurrenz vorgeben. So liefern sich ganze Wirtschaftszweige Preisschlachten mit verheerendem Ausgang. Preisaktionismus ist eine Todesspirale. Denn irgendjemand macht es immer noch ein wenig billiger.

Leichtfertig vergebene Rabatte sind oft nur ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter Beschäftigung mit dem, was den Kunden wirklich bewegt – in rationaler wie auch in emotionaler Hinsicht. Ein Verkäufer muss Wünsche wecken können, von denen der Kunde gestern noch nicht wusste, dass er sie heute haben wird. Ein Bäcker muss demzufolge seine Kunden nicht satt sondern hungrig machen – hungrig nach mehr.

Rabatte stellen eine Belohnung dar

Rabattsymbole und Sonderpreis-Aktionen wie auch die Aussicht, durch ein Schnäppchen Geld einzusparen, all das stimuliert unser cerebrales Belohnungssystem. Und mehr noch: Bei Erwartung einer Vergünstigung werden interne Kontrollmechanismen zurückgeschaltet.

Dies zeigt ein Experiment mit Rabattschildern, das Mitarbeiter des Hirnforschers Christian E. Elger im Kernspintomografen durchführten. Dabei spielten die Forscher den Probanden Bilder bekannter Markenprodukte auf den in einer Spezialbrille eingelassenen Monitor. Neben den Produkten standen Preise, mal günstig, mal überhöht. Ab und zu leuchtete ein gelbrotes Rabattschild auf – allerdings nicht immer beim günstigsten Preis. „Würden Sie dieses Produkt kaufen?“, fragte eine Stimme vom Band. Und die eingezwängt liegenden Probanden taten das, was Konsumenten auch in einer echten Kaufsituation tun: Sie griffen zum überteuerten Produkt – nur wegen des Rabattschilds.

Rabatte stellen für unser Hirn eine Belohnung dar. So erklärt es sich, weshalb man Kunden mit Schnäppchen fast willenlos machen kann. Der Verlust von Geld hingegen aktiviert ein Hirnareal, das auch für die Schmerzverarbeitung zuständig ist: die Insula. Auf einen Preis zu schauen tut weh. Und es gibt genau zwei Möglichkeiten, um dies so zu kompensieren, dass schließlich Kauflust entsteht:

  • Preisangebote & Co – und das ist ein kostspieliger Teufelskreis
  • Gute Gefühle – und das ist ein erfolgversprechender Engelskreis

Das Kaufnetzwerk im Gehirn

Emotionen machen aus Träumen Wünsche und aus Wünschen Geschäft. Die gute Nachricht: Dieser Weg führt nach oben, in die erfreuliche Gewinnzone. „Wo Emotionalität ist, kann man auch Marge machen“, sagt Torsten Toeller, Geschäftsführer von »Fressnapf«, einem der erfolgreichsten Franchise-Unternehmen europaweit. Wie neurowissenschaftliche Tests festgestellt haben, zeigen insbesondere die Hirnaktivitäten Kaufsüchtiger ein verstärktes Verlangen nach einem begehrenswerten Produkt – verbunden mit einem gleichzeitig geringeren Verlustempfinden für Geld. Das Habenwollen besiegt die Vernunft.

Und so fasst dies Bernd Weber vom »Neuroeconomics Lab« an der Universität Bonn zusammen:

  • Es existiert ein Kaufnetzwerk im Gehirn.
  • Hierbei werden Abwägungen zwischen dem Verlangen nach einem Produkt sowie dem Verlustempfinden für das Geld getroffen.
  • Dieses System ist nicht statisch sondern wird durch verschiedene Faktoren moduliert (z.B. Rabatte, zeitlich versetzte Bezahlung usw.).

Somit ist klar: Preisangebote wirken. Aber: Sie machen nicht treu. Wer nichts weiter zu bieten hat als Tiefstpreise und Sonderposten, der erzeugt höchstens eins: die Loyalität zum Schnäppchen. Schnäppchenjäger sind Kaufnomaden. Sie kommen nur der günstigen Preise wegen. Gibt es diese mal nicht, ziehen sie schleunigst von dannen. So erklärt sich auch die geringe Kundenloyalität in Märkten, die sich im ständigen Preiskampf befinden.

Emotionen dürfen um einiges teurer sein

Im warmen Licht der Begeisterung verblassen auch die Preisangebote. Für durch und durch gute Gefühle sind Menschen bereit, tief in die Tasche zu greifen: Also viel Preisschmerz hinzunehmen und ein Preis-Premium zu zahlen. Denken Sie nur mal an teure Uhren, schnelle Autos, Ihre Spendierfreude im Urlaub oder den Hauch von Nichts im Wäschegeschäft. Oder denken Sie an die Prachtbauten der Banken und die Ausstattung der Chefbüros im obersten Stock. Was zeigt: Gute Gefühle spielen nicht nur im Consumer-Geschäft eine tragende Rolle.

Gerade die scheinbar so kühlen Management-Etagen sind Spielwiesen für selbstzentrierte Alphatierchen-Träume. Dort herrscht Emotion pur: Privilegien, Statussymbole und territoriale Eroberungen sprechen eine deutliche Sprache. Gerade für die Persönlichkeitsstruktur von Führungseliten sind Prestige, Macht und Kontrolle sehr belohnende Motive. Jede noch so knallharte Entscheidung ist unterschwellig emotional geleitet – auch wenn die Manager dies vehement abstreiten würden.

Summa summarum: Je stärker die subjektiv empfundene Lust im Verlauf eines Kaufs, desto mehr Geld-Schmerz sind wir bereit, dafür zu zahlen. Wer die Herzen gewinnt, hat mit den Köpfen leichtes Spiel – und auch mit dem Geld seiner Kunden. Gute Gefühle dürfen einiges kosten.

Anne M. Schüller

Mehr zum Neuromarketing erfahren:

Bild: 3dman_eu | pixabay.com | Ausschnitt

Zurück