Nicht-Präsentation: Zuhörer verstehen lernen

Sie möchten Ihre Zuhörer verstehen und bewegen? Erfahren Sie hier, wie sie dies methodisch in einer Nicht-Präsentation umsetzen: Mithilfe einer Einladung werden die Teilnehmer bereits einige Tage früher eingestimmt. Zugleich fordern Sie diese auf, sich Fragen zu überlegen, die sie beantwortet haben wollen. Dafür bietet die Einladung Raum für einige Beispielfragen zur Orientierung. Am besten solche, die andere Teilnehmer in früheren Präsentationen schon einmal gestellt haben.

Nicht-Präsentation

Um Mithilfe in der Einladung bitten

Vor Beginn der Präsentation werden diese Fragen festgehalten und für die Beteiligten visualisiert. Von nun an geht es ausschließlich darum, die Fragen der Teilnehmer zu beantworten. Dabei ist es sinnvoll, sich die Namen und E-Mail-Adressen der Teilnehmer zu beschaffen, wenn man diese nicht bereits kennt und sie beispielsweise mit dem folgenden Text zur Präsentation einzuladen:

Sehr geehrte Frau Mustermann,

in Ihrem Kalender ist bestimmt am **.**.**** bereits ein Meeting eingetragen. Zu diesem Termin wollen wir gemeinsam über „*******“ sprechen. Mein Ziel ist es, Ihre Fragen lückenlos zu beantworten und Sie solide zu informieren. Bei bisherigen Präsentationen zu diesem Thema haben die Teilnehmer diese Fragen gestellt:

  • Liste der Beispielfragen: Mindestens 5, höchstens 25.

Bitte bereiten Sie sich schriftlich vor. Wenn Sie wenige Minuten in Ihre Vorbereitung investieren, können Sie unseren Termin dadurch ungleich effektiver gestalten. 5 Minuten Vorbereitung können sich sehr schnell für alle Beteiligen lohnen.

Wichtig ist, dass alle Fragen echte Fragen und keine Stichworte sind. Das mag jetzt detailverliebt klingen, aber während der Präsentation werden Sie sehen, dass diese Art der Vorbereitung einen enormen Gewinn an Zeit und Präzision bringt. Bitte bringen Sie Ihre Frageliste zur Präsentation mit.

Ich freue mich auf unseren Termin und werde mein Bestes tun, um die Zeit für Sie wertvoll, informativ und vielleicht sogar humorvoll zu gestalten.

Mit den besten Grüßen

Einfluss auf die späteren Fragen nehmen

Mit der Auflistung der Beispielfragen nehmen Sie vorweg, was man zu diesem Thema fragen könnte. Auf diese Weise animieren Sie die Teilnehmer, sich eigene Gedanken zu machen. Wobei Sie bei der Gestaltung elegant Einfluss nehmen können. Dafür notieren Sie einfach die Fragen, die Sie gut beantworten können. Natürlich sollten Sie dennoch auf unerwartete Fragen gefasst sein. Das ist aber nicht schlimm, sondern sogar gewollt.

Tipp: Wenn Sie für den konkreten Termin aus den Gesprächen im Vorfeld bereits klar formulierte Fragen des Kunden kennen, setzen Sie diese Fragen nicht auf die Liste. Stattdessen notieren Sie diese auf Moderationskarten, die Sie zur Präsentation mitbringen. Sozusagen als Dienstleistung für den Kunden.

Benötigte Materialien:

  • Planen Sie mit einem Flipchart, nehmen Sie am besten Ihre eigenen Stifte mit.
  • Packen Sie am besten gleich zwei Filzstifte pro Teilnehmer ein. Ich empfehle die Marke Neuland No. One, denn die Stifte liegen auch für Ungeübte angenehm in der Hand und liefern ein gutes Schriftbild. Weil die Farben Rot, Grün, Blau oder Schwarz immer verwendet werden, empfehle ich eine ungewöhnliche Farbe zu benutzen. Wie beispielsweise Dunkelrot, Oliv oder Sonnengelb.
  • Darüber hinaus benötigen Sie pro Teilnehmer einen Stapel von 10 bis 20 Moderationskarten. Falls Sie nicht genau wissen, ob es im Präsentationsraum ein Flipchart gibt, weichen Sie auf selbstklebende Karten aus. Außerdem besorgen Sie sich vorsorglich eine Rolle Leitz EasyFlip. Das ist eine Kunststofffolie auf einer Rolle.  Die Folienstücke sind weiß oder kariert und haften auf allen glatten Oberflächen wie Fenster, Türen und an den meisten Wänden.
  • Stecken Sie auch einen Fotoapparat mit eingebautem Blitz ein. Falls Ihr Telefon das auch kann: prima!

Achtung – Stolperfalle:

„Filzstifte brauchen wir nicht, die sind doch in jedem Raum vorhanden.“ – Im Grunde stimmt das, nur meist nicht dann, wenn sie wirklich gebraucht werden. Arbeiten Sie professionell! Schalten Sie unnötige Risiken aus.

„Meine Teilnehmer will ich nicht darauf hinweisen, dass sie Fragen aufschreiben sollen. Stichworte reichen doch aus.“  – Nein. Stichworte kann man im Gegensatz zu Fragen nicht beantworten. Wenn Sie sich mit Stichpunkten zufrieden geben, werden Sie später scheitern.

Fragen abholen

Zu Beginn legen Sie einen Stapel frischer Moderationskarten samt Filzschreibern auf den Besprechungstisch und erklären:

„Wir möchten uns bei unserem Termin auf die für Sie wichtigen Punkte konzentrieren. Wir haben bereits Fragen formuliert, von denen wir denken, dass Sie die Antworten darauf von uns erwarten.“

Nun hängen die von Ihnen vorbereiteten Fragen bereits an der Pinnwand. Anschließend fordern Sie die Teilnehmer auf, ihre zusätzlichen Fragen zu notieren:

„Jetzt ist der richtige Moment, um Ihre eigene umfangreiche Vorbereitung herauszuholen.“ Diese Formulierung ist wichtig! Dann fügen Sie hinzu: „Falls Sie noch keine Gelegenheit hatten, Fragen zu notieren, nutzen Sie bitte diese Beispielfragen als Inspiration.“ Jetzt können Sie eine Folie mit den Beispielfragen aus der Einladung auflegen.

 „Wir bitten Sie, Ihre konkreten Fragen zu ergänzen. Wir werden dann dafür sorgen, dass unsere Präsentation darauf konzentriert ist, Ihre Fragen gezielt zu klären.“ Abschließend: „Wie lange wird es dauern, Ihre Fragen auf Karten zu notieren?“

Fragen beginnen meistens mit einem „W“ und enden immer mit einem Fragezeichen. Karten, die lediglich Stichpunkte aufweisen, hängen Sie nicht auf, sondern bitten Sie den Autor um eine konkrete Frage. Bei der Formulierung können Sie ihm behilflich sein.

Hilfestellung bei der Formulierung

Später, während der Präsentation weisen Sie darauf hin, dass es die Möglichkeit gibt, weitere Fragen zu ergänzen. Zwischenfragen lassen Sie auf Moderationskarten vermerken oder Sie geben Hilfestellung: „Habe ich richtig verstanden, die zusätzliche Frage lautet …?“

Achten Sie aber darauf, dass Sie nur Fragen annehmen, die Sie auch beantworten können. Für den Fall, dass sehr allgemeine Fragen gestellt werden, wie zum Beispiel: „Wie lösen wir unser Archivierungsproblem?“, helfen Sie dem Fragesteller dabei, seine Frage zu konkretisieren. Denn diese anders formuliert: „Was müssen wir tun, um die durchschnittlich 400 pro Tag anfallenden Ausgangsrechnungen zu archivieren?“ ist besser geeignet, um eine präzise Antwort zu geben.

Andere Fragen, die zu komplex sind, um sie sofort zu beantworten, werden markiert. Dem Kunden sagen Sie: „Diese Frage(n) können wir hier und heute nicht abschließend beantworten. Sind Sie damit einverstanden, wenn Sie bis (Datum) eine schriftliche Antwort per E-Mail erhalten?“ Das dürfte der Kunde sicher akzeptieren.

Achtung – noch eine Stolperfalle:

„Kartentechnik für Fragen will ich nicht! Ich nehme die Fragen lieber am Flipchart auf.“ – Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Denn wenn Sie mehr als drei Teilnehmer haben, kommen sie mit dem Schreiben nicht hinterher. Abgesehen davon beeinflussen die extrovertierten Teilnehmer die anderen, die eher zurückhaltend sind. Nur die Kartentechnik liefert ein gutes Bild der Geisteshaltung der Zuhörer.

Die eigentliche Nicht-Präsentation

Sie können die Menschen vor allem dann für sich gewinnen, wenn Sie sie nicht überzeugen wollen. Die Nicht-Präsentation ist darauf ausgelegt, erst zu verstehen und dann verstanden zu werden. Falls Sie Stephen Covey gelesen haben, dürfte Ihnen das bekannt vorkommen.

Das Abholen der Fragen und Ziele gibt Ihnen ein gutes Bild von der Perspektive Ihrer Zuhörer. Jetzt müssen Sie nur noch darauf eingehen und die Fragen konsequent beantworten. Bestimmt haben Sie einen Weg gefunden, die wichtigsten Fragen (also die des Entscheiders) als erstes zu beantworten. Veteranen der Nicht-Präsentation werden vor allem dadurch glänzen, dass sie die Fragen sinnvoll sortieren und im Block beantworten.

Technik für die Nicht-Präsentation

Sehr viele Bücher sind über das Präsentieren geschrieben worden. Manches davon würde ich bestätigen, einiges jedoch nicht. Vielleicht ist folgende Checkliste für Sie hilfreich:

• Bilder und Metaphern

Jedes Kind weiß: Bilder sagen mehr als tausend Worte. Wissen Sie es auch? Halten Sie sich daran? Großflächige Bilder auf Folien und gesprochene Bilder (Metaphern) eignen sich besser, um in Erinnerung zu bleiben.

• Reduzieren Sie Effekte und Gimmicks

Beim zweiten Mal sind von rechts einfliegende Buchstaben langweilig. Seien Sie bitte nicht der dritte, der damit arbeitet…

• Kein Versteckspiel

Noch schlimmer als übertriebene Show-Effekte sind Präsentationen, bei denen die Texte nur nach und nach eingeblendet werden. Niemand hört mehr auf das gesprochene Wort. Jeder wartet nur noch darauf, dass die nächste Zeile eingeblendet wird. Wenn Sie wollen, dass man Ihnen zuhört, dann zeigen Sie die komplette Folie auf einmal. Wenn Einzelschritte notwendig sind, dann nehmen Sie eine Folie für jeden Schritt.

• Große Schrift & wenige Worte

Reduzieren Sie die Worte auf jeder Folie um 50%. Wenn das geschafft ist, halbieren Sie die Worte nochmals. Dann ist es sicher besser als vorher.

• Ist Ihr Auftritt stimmig?

Jede Präsentation lebt von Stimme, Gestik und Auftritt. Das zu behandeln, sprengt den Rahmen dieses Textes. Sind Sie stimmig? Sind Sie sicher in der Gestik? Wenn Sie Zweifel haben, empfehle ich Ihnen sehr gerne unverbindlich einen Kollegen, der im jeweiligen Fachgebiet spitze ist.

Es spielt letztlich keine Rolle, was Sie präsentieren. Es ist aber wichtig, wie Sie es präsentieren. Denken Sie daran, dass Ihr Publikum die Struktur und die Inhalte Ihrer Präsentation heute zum ersten Mal hört. Nehmen Sie darauf Rücksicht? Besteht für „Unbedarfte“ eine Chance, Ihren Ausführungen zu folgen?

Tipp: Schaffen Sie Orientierungspunkte neben dem Hauptinhalt Ihrer Präsentation. Nutzen Sie ein Flipchart oder eine feststehende Pinnwand als Orientierungskarte bzw. Gliederung. Bewegen Sie sich als Präsentierender zwischen dem Hauptbildschirm und der Übersicht, um ganz akzentuiert aufzuzeigen, was Sie im Gesamtkontext im Moment zeigen wollen.

Nutzen Sie Symbole, die feststehen und nicht dem Wechselspiel von Folien oder PowerPoint unterzogen sind, um neben dem „Screen“ eine reale Orientierung zu bieten.

Abschluss der Nicht-Präsentation

Was für ein Bild: Am Ende der Nicht-Präsentation sind alle Fragen Ihres Kunden offensichtlich beantwortet und alle Besprechungsziele erreicht. Wer wird da nicht zu einem besonderen Schlusswort verleitet: „Jetzt wo wir zeigen konnten, dass wir mit unserem Lösungsangebot alle Ihre Fragen beantworten können …..”.

Der psychologische Effekt dieser Vorgehensweise ist enorm:

  • Sie holen die Gesprächsteilnehmer aus ihrer passiven Haltung und erfahren ihre Fragen und Ziele. Wer nicht fragt, kann nachher nicht sagen, dass “noch Fragen offen sind”.
  • Die Besprechung bleibt spannend! Wenn nur behandelt wird, was ausdrücklich gefragt wurde, halten Sie die Aufmerksamkeit Ihres Publikums hoch.
  • Sie bleiben in Erinnerung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Ihr Kunde diese Art der kompetenten Gesprächsführung so noch nicht erlebt. Sie positionieren sich als kompetenter Anbieter.

Sie können am Ende der Präsentation erst recht punkten, wenn Sie elegant darauf hinweisen, dass jetzt alle gestellten Fragen beantwortet sind. Kompetenz pur. Wer soll neben Ihnen noch bestehen?

Drei wesentliche Dinge bei der Nicht-Präsentation

Mit dieser Episode endet das Kapitel zur Nicht-Präsentation. Wenn Sie sich vornehmen, die für Sie wichtigen Elemente umzusetzen, werden Sie mehrere Erfahrungen machen:

  1. Verständnis. In zum Teil ungeahntem Maße werden Sie verstehen, worum es dem Kunden wirklich geht.
  2. Differenzieren. Weil mehrere Zuhörer voneinander weitgehend unbeeinflusst ihre Fragen aufschreiben, bekommen Sie ein klares Bild der unterschiedlichen Auffassungen und Wissensstände.
  3. Lernen. Weil Sie natürlich die Fragen der Teilnehmer mitnehmen, lernen Sie dazu und erweitern Ihr Bild, was potenzielle Kunden so alles fragen und denken können.

Ihr Stephan Heinrich

14.01.2015

Bild: Derek Bridges | flickr.com | CC by 2.0 | Ausschnitt

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