Geheimnis Zeugnissprache?

Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 109 Gewerbeordnung (GewO) einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Besagte Norm und die hierzu ergangene fast unübersichtliche Rechtsprechung regelt das „Mysterium Arbeitszeugnis“. Tatsächlich gehört dieses Thema in einen Bereich, der geprägt ist von Irrungen und Wirrungen. Da ist vor allem das Rätsel um die so genannte Zeugnissprache. In der Tat gibt es hier einen gewissen verbindlichen Kanon an wohlwollenden oder vernichtenden Formulierungen.

Zeugnissprache

Zeugnissprache – ein wohlgehütetes Geheimnis?

Die Arbeitnehmerschaft unterliegt meines Erachtens der kollektiven Annahme, dass auf Arbeitgeberseite Personalverantwortliche sitzen, die umfassend in die Geheimnisse der Zeugnissprache eingeweiht sind und ihr Herrschaftswissen erfolgreich verteidigen. Diese Zeugnisverfasser seien Meister darin, dem ausscheidenden Arbeitnehmer negative Dinge ins Stammbuch zu schreiben, die dieser übersieht und die nur von ihresgleichen erkannt werden können. Ja, es gibt eine Zeugnissprache. Und es gibt auch bestimmte Arten, ein Zeugnis so zu formulieren, dass ein kundiger Leser die hier zum Ausdruck gekommene Geringschätzung gegenüber dem Arbeitnehmer erkennen kann.

Nach meiner Erfahrung beruhen unerkannt „schlechte“ Zeugnisse jedoch nur in seltenen Fällen auf der Arglist des Zeugnisverfassers. Mehrheitlich haben die Arbeitgeber bis weit in den Mittelstand hinein ungefähr genau so viel Erfahrung und Kenntnis im Erstellen eines Zeugnisses wie die Arbeitnehmer. Mit dem größten Wohlwollen und gutem Gewissen werden dann Texte verfasst, die sich dann als vernichtende Kritik an der Leistung oder am Sozialverhalten des Arbeitnehmers erweisen (z.B. die Klassiker: „… war immer sehr bemüht …“ oder „… hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt …“). Untersuchungen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bewerber erst durch Nachfragen in einem Bewerbungsgespräch auf negative Aussagen in ihrem vermeintlich guten Zeugnis aufmerksam wurden.

Lassen Sie Ihr Zeugnis prüfen

Darum mein Rat: Lassen Sie Ihr Zeugnis ruhig von einem Arbeitsrechtler oder einem in Personalfragen Erfahrenen prüfen, bevor Sie es Dritten, die vielleicht über Ihre weitere Karriere entscheiden, zu Lesen geben. Und das insbesondere auch, wenn Sie sich zuvor im (wirklich!) besten Einvernehmen von Ihrem ehemaligen Arbeitgeber getrennt haben. Denn gerade hier zeigt sich, dass die vermeintlich schönsten Formulierungen – ohne Sinn und Verstand zu Papier gebracht – ganz oft zeugnismäßig nach hinten losgehen. Denn ein gutes Zeugnis zu erteilen ist eine Kunst. Hat also viel mit Können und weniger mit (Wohl-)wollen zu tun.

Zeugnis selbst verfassen?

Lassen Sie sich nicht auf das „Schreiben Sie sich doch Ihr Zeugnis selbst.“ ein! Sprechen Sie Ihre Wünsche (z.B. Betonung bestimmter Tätigkeiten im Hinblick auf die weiteren Berufsziele) mit Ihrem Arbeitgeber ab. Lassen Sie diesen das Zeugnis aber selbst verfassen. Denn es ist schwer, über sich selbst wohlwollend und objektiv zu berichten.

Vom Arbeitgeber, dem man über Jahre seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat, kann man durchaus verlangen, dass er sich ein letztes Mal hinsetzt und sich ein paar wohlwollende Zeilen abringt. Zum anderen sind aus meiner Sicht selbstformulierte Zeugnisse auch als solche durchaus erkennbar. Da fragt man sich dann immer, warum der Arbeitgeber keine Lust mehr hatte, selbst etwas zu Papier zu bringen. Hinter dem vermeintlichen Entgegenkommen verbirgt sich nämlich in der Regel nur die (offenkundige) Tatsache, dass der Arbeitgeber zu faul oder unwillig war, sich die Mühe zu machen, selbst ein Zeugnis zu verfassen.

Ein solches Zeugnis erweist sich oft als Schuss in den Ofen. Gleiches gilt im Übrigen auch für Zeugnisse, die das Ergebnis eines Zeugnisberichtigungsstreits vor dem Arbeitsgericht sind. All diese Arbeitszeugnisse umweht ein gewisser Hautgout von „Trennung im Einvernehmen“ inklusive Türenknallen.

Ihr
Edmund Hellmich

Bild: Ich28 | pixabay.com

Zurück