Mindesttemperatur im Büro – Frieren oder nicht?

Veröffentlicht: 21.10.2022 | Lesedauer: 4 Minuten

Der Sommer ist definitiv vorbei und Hitze im Büro grad kein Thema mehr. Dafür hat die Heizsaison begonnen und der Winter steht vor der Tür, der in diesem Jahr eine besondere Herausforderung mit sich bringt: die Energiekrise. Angesichts der extrem gestiegenen Kosten für Energie sind wir alle zum Sparen aufgerufen – auch beim Heizen. Wie wird sich das auf die Temperaturen am Arbeitsplatz auswirken? Gibt es eine Mindesttemperatur im Büro oder werden wir uns im kommenden Winter ans Frieren am Schreibtisch gewöhnen müssen?

Inhalt
Allgemeine Vorschriften
Zulässige Mindesttemperatur
Neue Regelungen
Umgang mit Temperaturen

Mindesttemperatur im Büro

Allgemeines zur Temperatur am Arbeitsplatz

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber in seinem Betrieb Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ergreifen. Das ergibt sich aus seiner Fürsorgepflicht und so will es die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) präzisieren die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Verordnung. Ein wesentlicher Faktor, der Wohlbefinden und Produktivität beeinflusst, ist das Raumklima. Hitze oder Kälte im Büro können die Konzentration beeinträchtigen, zu Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen führen, körperlichen Stress verursachen und dadurch das Unfallrisiko steigern sowie langfristig negative Folgen für die Gesundheit haben.

Deshalb beinhalten die ASR ebenfalls Vorschriften zu den zulässigen Temperaturen am Arbeitsplatz selbst und in weiteren Räumen der Arbeitsstätte (ASR A3.5). In Abhängigkeit von der Art der Arbeit und dem Grad der körperlichen Beanspruchung dürfen bestimmte Temperaturen – zumindest über eine kurze Zeit hinaus – nicht unterschritten werden. Bei einem reinen »Schreibtisch-Job« übt man in der Regel eine leichte Tätigkeit im Sitzen aus – gelegentliches Stehen oder Gehen mitgerechnet. Unter diesen Voraussetzungen sollte laut ASR die Mindesttemperatur im Büro 20 Grad Celsius betragen.

Im Hinblick auf Temperaturen differenziert die ASR A3.5 nach:

» Raumtemperatur (empfundene Temperatur, bestimmt durch Lufttemperatur und die Temperatur der umgebenden Flächen)
» Lufttemperatur (Temperatur der Umgebungsluft ohne Einwirkung von Wärmestrahlung)
» Klimasummenmaß (Gesamtheit von Lufttemperatur, Luftfeuchte, Luftgeschwindigkeit und Wärmestrahlung)

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Welche Mindesttemperaturen am Arbeitsplatz sind zulässig?

Als der Gesundheit zuträglich gilt eine Raumtemperatur, bei der die Wärmebilanz des menschlichen Körpers ausgeglichen ist. Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe müssen sich also die Waage halten. Nehmen Schweregrad und Bewegungsanteil der Tätigkeit zu, erzeugt der Körper mehr Wärme. Darum darf die Mindesttemperatur dann etwas niedriger sein.

➛ Leichte Arbeit überwiegend im Sitzen: 20°C
➛ Mittelschwere Arbeit überwiegend im Sitzen: 19°C
➛ Leichte Arbeit überwiegend im Stehen oder Gehen: 19°C
➛ Mittelschwere Arbeit überwiegend im Stehen oder Gehen: 17°C
➛ Schwere Arbeit überwiegend im Stehen oder Gehen: 12°C
➛ In Sozialräumen (Büroküche, Pausenraum etc.) während der Nutzung: 21°C

Um festzustellen, ob die erforderliche Mindesttemperatur eingehalten wird, ist regelmäßig mindestens die Lufttemperatur in der unmittelbaren Umgebung zum Arbeitsplatz zu messen. Für einen normalen Büroarbeitsplatz genügt das Thermometer als Messinstrument meistens. Weil auch die Luftfeuchtigkeit ein wichtiger Klimafaktor ist und in einem ausgewogenen Verhältnis zur Raumtemperatur stehen sollte, kann der Einsatz von Hygrometern angezeigt sein.

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Neue Regelungen zur Mindesttemperatur im Büro

Seit dem 01.09.2022 gelten vorübergehend neue Spielregeln. Denn nur ein paar Grad weniger beim Heizen spart eine Menge Energie. Die »Verordung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen« – EnSikuMaV* (oder für alle, die lange Wörter mögen: Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung) sieht unter anderem eine Temperaturobergrenze für öffentliche Gebäude und Büros vor. Demnach darf die Lufttemperatur in einem Büro der öffentlichen Verwaltung 19 Grad Celsius nicht übersteigen.

Private Arbeitgeber sind allerdings weiterhin frei, ihre Arbeitsräume wärmer zu halten. Die Höchsttemperatur für öffentliche Gebäude gilt hier stattdessen als neue Mindesttemperatur für den kommenden Winter. Alles in allem darf ein privater Arbeitgeber die Temperaturen am Arbeitsplatz – je nach Tätigkeit – um maximal ein Grad absenken, er muss aber nicht. Kälte im Büro wird wohl deswegen nicht für alle Beschäftigten gleichermaßen zum Thema werden. Doch selbst ein einziges Grad weniger kann in der Summe betrachtet einiges bewirken und viele sind auch bereit, hier mitzuziehen – sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer.

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Der Umgang mit der Mindesttemperatur im Büro

Ganz einfach wird es wohl dennoch nicht. Krise hin oder her: Die Temperatur am Arbeitsplatz sorgt eigentlich in jedem Winter regelmäßig für Diskussionsstoff. Denn ob man die vorhandene Raumtemperatur als warm oder kalt wahrnimmt, ist ziemlich individuell. Manche Menschen brauchen schon bei 20 Grad mindestens zwei Pullis, während andere im T-Shirt herumlaufen. Haben nun die »Frostbeulen« unter uns das Nachsehen, falls der Arbeitgeber zukünftig die Raumtemperatur im Büro etwas absenken möchte?

Der Arbeitgeber hat zwar seiner Fürsorgepflicht Genüge getan, wenn die Mindesttemperatur nach ASR A3.5 eingehalten wird. Trotzdem kann er zusätzlich prüfen, ob es irgendwo Schwachstellen gibt (z.B. Zugluftquellen oder eine ungleichmäßige Temperaturverteilung) und dagegen gesonderte Maßnahmen ergreifen. Auch die Empfehlung, wärmere Kleidung zu tragen und sich etwas mehr zu bewegen, ist sicher nicht verkehrt – genauso, wie das Angebot, im Homeoffice zu arbeiten. Da wäre dann nur die Kostenfrage zu klären. Immerhin verbrauchen die Mitarbeiter während der Arbeitszeit zuhause ihre private Energie.

Das Thema Temperatur am Arbeitsplatz mag auf den ersten Blick banal erscheinen. Es ist aber durchaus brisant, weil hier viele verschiedene individuelle Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen, ohne jemanden zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Einfach kommentarlos den Regler runterzudrehen, sorgt bestimmt nicht für breite Akzeptanz. Es kommt in erster Linie darauf an, wie alle gemeinsam mit dem Thema umgehen. Wer miteinander redet, findet Lõsungen – auch für eine neue Mindesttemperatur im Büro.

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* Die EnSikuMaV ist vorübergehend vom 01.09.2022 bis voraussichtlich 28.02.2023 in Kraft

Redaktioneller Hinweis
Dieser Artikel bietet lediglich einen Überblick über einige grundlegende Aspekte zur Mindesttemperatur im Büro. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keinesfalls eine individuelle rechtliche Beratung. Im Zweifelsfall sollte immer juristischer Fachrat eingeholt werden.

Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Arbeitgeber“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

Beitragsbild: Adobe Stock | Valerii Honcharuk

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