Telefonist/innen – die unsichtbaren Held/innen des Vertriebs

Der Vertrieb – Motor jedes Unternehmens. Und dieser lebt durch seine Neukunden. Neukunden, die später zu Bestandskunden werden sollen. Doch woher kommen diese? In den seltensten Fällen kommen sie von allein. Selbst durch die Digitalisierung fällt die klassische Neukundengewinnung nicht komplett weg. Denn der Anteil an Inbound-Leads reicht in den wenigsten Fällen aus, um ausschließlich hierdurch den Vertrieb „am laufen“ zu halten. Umso wichtiger ist es, weiterhin jeden Tag neue Kunden zu gewinnen. Am besten durch die Königsdisziplin im Vertrieb: der telefonischen Kaltakquise.
Doch wer betreibt diese ungeliebte Telefonakquise?

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Kaum ein Kunde bekommt sie jemals zu Gesicht.

Oft sitzen sie allein in ihren Büros, die Kaffeetasse auf dem Tisch, ein Headset auf dem Kopf und die Tür meist geschlossen. An den Wänden oder am Monitor kleben kleine Post-its mit Mindset-Sprüchen oder lachende Emojis, um sich positiv zu stimmen. Oder aber sie sitzen in sogenannten Großraumbüros, abgeschottet durch Trennwände von den restlichen Kollegen. Vor ihnen ein flackernder Bildschirm auf dem lediglich Unternehmensdaten eingeblendet sind. Zur Nervenstärkung liegt noch der angefangene Schokoriegel vom gestrigen Tag auf dem Tisch.

Krank sein? Das geht gar nicht. Der Kollege im Vertrieb braucht schließlich Termine!

Sie starten jeden Tag mit dem Ziel, möglichst viel für ihren Kollegen im Außendienst zu tun – wenn sie überhaupt einen festen Kollegen haben, denn Tandem-Teams sind nicht überall üblich. Sie fühlen sich verantwortlich und wissen, welcher Druck auf ihnen liegt.
Jeden Tag aufs Neue stellen sie den Erstkontakt zu neuen Kunden her. Sie planen den Tag für ihren Kollegen im Außendienst. Möglichst viele Termine bei potenziellen Neukunden. Alles unter Berücksichtigung einer perfekten Routenplanung. Das ist das, was von ihnen erwartet wird. Tag für Tag. Und im Idealfall sind es durchweg Termine, in denen der Verkäufer im Außendienst sofort einen Vertrag schreiben kann. Schließlich sollen sie, möglichst vorab schon, alles mit dem potenziellen Kunden abgeklärt haben:

  • Hat er Bedarf?
  • Weiß er worum es geht?
  • Kann er im Termin entscheiden?
  • Ist genug Budget vorhanden?
  • Und und und…

Aber wer steckt denn nun hinter dieser Stimme am Telefon?

Es sind besondere Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Sie sind die „stillen“ Held/innen, die niemand sieht. Sie sind außergewöhnlich. Besondere Menschen, meist mit einer unglaublichen Ausprägung an Empathie. Diese Wegbereiter erkennen u. a. Stimmungsschwankungen in der Stimme.  Sie sind in der Lage, durch ihren Tonfall zu begeistern. Sie überzeugen wildfremde Menschen in einem ersten unangemeldeten Telefonat von einem Produkt oder einer Dienstleistung, ohne den Menschen jemals zuvor gesprochen zu haben.
Sie bauen Vertrauen auf. Sie hören sich Kritik an. Manchmal müssen sie sich auch beschimpfen lassen – und trotzdem lachen sie beim nächsten Telefonat genauso nett wie vorher. Sie sind besondere Menschen. Die „stillen“ Held/innen, die jeder hört, aber niemand sieht.

Welche (Wert-)Stellung haben sie in den Unternehmen?

Wir sind uns sicher alle einig, dass sie die Königsdisziplin im Vertrieb beherrschen. Sie suchen und finden jeden Tag Neukunden für das Unternehmen und liefern den Treibstoff für den Vertrieb. Doch wird ihre Leistung auch als solche geschätzt?
Zu den so genannten Kick-off Veranstaltungen gehören sie natürlich dazu. Auch an Meetings dürfen sie oft teilnehmen. Auf den Bühnen jedoch werden fast immer ihre Außendienstkollegen für besondere Leistungen geehrt. Gemessen wird daran:

  • Wer hat den meisten Umsatz gemacht?
  • Wer hat die meisten Termine gehabt?
  • Welcher Verkäufer war besonders gut?

Im besten Falle werden sie „im Schatten des Kollegen“ kurz erwähnt. Aber gefeiert, gefeiert wird der Außendienst.

Aber was ist mit ihnen?

Die, die den Verkäufern die Türen öffnen? Die, die bei den potenziellen Kunden das Interesse wecken? Die, die eigentlich alles ermöglicht haben? Die, die sich oft auch noch die Kritik des Kollegen anhören müssen, weil er vielleicht einmal keine perfekte Route hatte oder der Kunde nicht unterschrieben hat?

Denn am Ende des Tages, lag es ja meist „am Termin“. Dies ist bekanntermaßen eine gern gewählte Ausrede des Außendienstes, wenn er den Vertrag beim Kunden nicht bekommen hat. Was ist mit ihnen, die den Termin vereinbart haben? Die, die „keinen Namen“ haben? Die, die bis heute nicht einmal eine feste einheitliche Berufsbezeichnung haben?

Sie werden Telefonisten genannt, Terminierer, Akquisiteure, Vertriebsassistenten, Kontakter oder oft auch einfach nur Innendienst Mitarbeiter. Eine einheitliche Bezeichnung gibt es nicht. Und dabei sind sie die wirklichen Helden und Heldinnen im Vertrieb!

Welche Verdienstmöglichkeiten haben sie?

Meist werden sie mit einer geringen Grundvergütung bezahlt und steuern ihr Einkommen über die Anzahl der Termine, die sie vereinbaren. Wenn sie einen Termin vereinbart haben, in dem der Außendienstkollege bzw. Verkäufer einen Vertrag abschließen konnte, bekommen sie in der Regel den Termin vergütet. Die Provision für den Vertragsabschluss, die bekommt für gewöhnlich nur der Kollege. Und das in einer nicht unerheblichen Höhe. Aber steht es in einer Relation? Meist nicht. Doch wer hat den Termin überhaupt erst ermöglicht? Genau…

Wie arbeiten sie als Freiberufler?

Viele von ihnen arbeiten auch als Freiberufler für die Terminierung. Sie nehmen Aufträge von Unternehmen oder Einzelpersonen an, um in deren Namen zu terminieren. Auch hier öffnen sie täglich neue Türen und sind sich ihrer Verantwortung stets bewusst. Meist sind diese Aufträge für einen gewissen Zeitraum und werden nach Stundensätzen vergütet. Der Verdienst ist hier oft gering.
Aber sie haben sich bewusst für die freiberufliche Tätigkeit entschieden, weil sie in den Unternehmen nie die Wertschätzung erhalten haben, die ihnen eigentlich zusteht. Also nehmen sie in Kauf, immer wieder neue Aufträge zu suchen bzw. sich finden zu lassen. Denn vielen von ihnen fehlt leider die Erfahrung und das Know-How um Verträge, auch für sich selbst, abzuschließen. Sie können meist perfekt terminieren. Doch verkaufen? Das hat ihnen niemand beigebracht.

Fazit

Es sind besondere Menschen mit besonderen Fähigkeiten, die jeden Tag aufs Neue am Telefon sitzen, das Headset auf dem Kopf und die Kaffeetasse auf dem Tisch. In ihnen steckt oft so viel mehr an Potenzial, als sie es sich selbst zutrauen. Es wird nur einfach nicht gesehen. Denn sie sind halt die, die keiner sieht. Die, die keinen Namen haben.
Ist es nicht an der Zeit, genau diesen „stillen“ Held/innen eine Stimme zu geben bzw. sie mit ins Rampenlicht zu stellen? Ihnen die nötigen Möglichkeiten zu bieten, mehr zu erreichen? Sie zu motivieren und ihnen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie durch diese Fähigkeit haben? Ihnen einen Weg zum Erfolg zu zeigen?
Man muss ihnen nur die Chance geben und etwas fördern, dann erreichen sie garantiert für sich selbst und auch für jedes Vertriebsunternehmen: BETTER RESULTS IN SALES.


Susi Severin Portrait

Autorin Susi Severin ist Inhaberin des Unternehmens VENDITAS. Ihr Weg begann einmal mit einem Job in der Terminierung. Heute zählt sie zu den erfolgreichsten und bekanntesten Akquiseexpertinnen und -trainerinnen im deutschsprachigen Raum. Es ist ihr eine Herzensangelegenheit eben jene „stille“ Held/innen aus dem Schatten zu holen und Möglichkeiten aufzuzeigen, selbst zu einer Stimme im Vertrieb zu werden.


Beitragsbild: Adobe Stock | stokkete

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die geschlechtsspezifische Differenzierung nicht durchgehend, sondern meist das generische Maskulinum (z. B. „der Vertriebsassistent“). Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für jedes Geschlecht und sollen keinerlei Benachteiligung darstellen. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und ist wertfrei.

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